Seit Aschermittwoch befinden wir uns in der christlichen Fastenzeit. Und am 23. März beginnt für die Muslime der Ramadan. Das hat es schon viele Jahre nicht mehr gegeben, dass sich christliche und islamische Fastenzeit überschneiden.
Das muslimische Fasten ist kein Pappenstiel. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen, nichts trinken, nicht rauchen, kein Sex.
Halten sich alle Muslime an diese Regeln? Klare Antwort: nein. Wie in jeder Religion praktiziert nicht jeder, der formal dazugehört, auch seinen Glauben. Aber es sind durchaus viele Muslime, die diese Säule des Islam ernstnehmen, auch in Deutschland. Manche fasten nicht alle Tage im Ramadan, sondern nur einige. Aber manche, und es werden eher mehr, fasten konsequent einen ganzen Monat lang jeden Tag.
Im Christentum geht die Entwicklung in eine andere Richtung: Die Fastenzeit als eine besondere Zeit des Verzichts, des Betens, der Nächstenliebe prägt zunehmend weniger das Leben des einzelnen oder gar der Gesellschaft.
Der Publizist Rüdiger Safranski unterschied vor einigen Jahren einmal „heiße“ und „kalte“ Religionen. Das scheint mir durchaus treffend zu sein. Der Islam ist in dieser Unterscheidung eine „heiße“ Religion. Menschen engagieren sich für ihren Glauben, brennen für ihre Überzeugung – manchmal in extremistischer Übertreibung, die natürlich abzulehnen ist. Das Christentum gehört inzwischen, zumindest in unseren Breitengraden, zur Kategorie der „kalten“ Religionen. Man ist getauft, man glaubt irgendwie noch – aber bloß keine Zumutungen bitte. Bitte alles bequemer, einfacher, weniger. So kann der Glaube auf Dauer und im Ganzen natürlich nicht funktionieren. So macht er aber auf Dauer auch keinen Spaß. Insofern kann uns der Ramadan bzw. die konsequente Glaubenspraxis vieler Muslime dazu anregen, einmal unsere ganz persönliche Glaubenspraxis in den Blick zu nehmen. Wie halten wir es mit dem Gebet? Mit den Sakramenten der Kirche? Mit dem Lesen der Bibel? Mit dem Sonntagsgottesdienst? Mit unserer Fastenzeit?
Pfr. Rüdiger Hagens