375 rote Frau staunend_by_Doris_Hopf_pfarrbriefservice (c) Doris Hopf in Pfarrbriefservice

Die Weltsynode, die Urkirche und die Frauen

375 rote Frau staunend_by_Doris_Hopf_pfarrbriefservice
Datum:
Fr. 6. Okt. 2023
Von:
Manuela Thies-Diekamp

Die Weltsynode, die Urkirche und die Frauen

In diesen Tagen kommt in Rom die Weltsynode zusammen, um über die Zukunft der katholischen Kirche im 21. Jahrhundert zu beraten. Von den 365 Stimmberechtigten in Rom sind nur 54 Frauen. Zur gleichen Zeit trifft sich im Venner Pfarrhaus eine kleine Gruppe von Frauen zu einem Bibelabend. Die Frauen lesen in der Bibel und erfahren, wie unkompliziert und auf Augenhöhe Jesus mit Frauen umgegangen ist. Sie lesen von Frauen, deren Geschichten und Aufgaben in der Urkirche.

 

Da ist Maria von Magdala, Apostelin der Apostel (u.a. Joh 20).

Erst 2016 wurde sie von Papst Franziskus als „Apostelin der der Apostel“ rehabilitiert. Sie war Zeugin von Tod und Auferstehung Jesu. Die erste, die am Ostermorgen das leere Grab fand und den Jüngern verkündete: „Ich habe den Herrn gesehen.“ Damit wurde sie zur „Apostola Apostolorum“.

Papst Gregor I. hatte im 6. Jahrhundert ihren Ruf nachhaltig zerstört, indem er sie wissenschaftlich völlig unbegründet mit der namenlosen Sünderin und Ehebrecherin in den Evangelien gleichsetzte. Als „Heilige Hure“ oder „reuige Sünderin“ wurde sie zu „dem“ Frauenbild der katholischen Kirche und einem beliebten Thema in der Malerei.

Gleichzeit hat die Ostkirche über die Jahrtausende an der Heiligen und Apostelin Maria von Magdala festgehalten. In ostkirchlichen Legenden heißt es: „Nach der Auferstehung Jesu verließ Maria Magdalena mit den anderen Aposteln Jerusalem, um das Evangelium in der ganzen Welt zu verkünden.“

Erst 2016 wurde Maria auch in der katholischen Kirche wieder zu der, die sie immer war: Apostelin, Zeugin der Auferstehung und Verkünderin der Osterbotschaft.

 

Konservative Kardinäle beharren in diesen Tagen darauf, dass sie die Kirche nicht verändern könnten. Jesus hätte die Apostel zum Priesteramt berufen und es wären nur Männer gewesen. Niemand hätte die Macht, die Kirche in ihren jetzigen Strukturen zu verändern, denn Jesus selbst hat sie so aufgebaut und gewollt, wie sie jetzt erscheint.

 

Leider wird von Maria von Magdala in der Apostelgeschichte und den Briefen des Neuen Testamentes nichts mehr berichtet. Dafür treten andere Frauen an, den Glauben in der Welt zu verkündigen. Paulus fügt seinem Brief an die Gemeinde in Rom eine lange Grußliste an (Röm 16), in der er Grüße an die verantwortlichen Mitarbeitenden in der Gemeinde sendet:

 

Da ist „unsere Schwester“, die Diakonin Phöbe (Röm 16,1).

Paulus empfiehlt sie zu Beginn seines Römerbriefes der Gemeinde in Rom. In vielen Übersetzungen wird Phöbe als „Dienerin der Gemeinde von Kenchreä“ bezeichnet. Im griechischen Urtext steht an der Stelle der „Dienerin“ diakonos, eine Bezeichnung, die im männlichen Kontext immer mit „Diakon“ übersetzt wird. Mit einer „Dienerin“ dagegen assoziiert man im schlechtesten Fall „Putzfrau“. Phöbe dagegen hatte eine wichtige Aufgabe in der Leitung der Gemeinde in Rom und reiste mit dem Paulusbrief nach Rom, was auf einen gewissen Wohlstand hindeutet, aber auch auf das Vertrauen des Paulus. Als Überbringerin des Briefes wird sie auch theologisch gebildet gewesen sein, den Brief ausgelegt haben und all die Fragen der Gemeinde in Rom zu Paulus und seinem Brief beantwortet haben können.

 

Da ist die Gemeindeleiterin und Mitarbeiterin Prisca (Röm 16,2).

Sie wird im Römerbrief gemeinsam mit ihrem Mann Aquila genannt, gemeinsam leiteten sie eine Hausgemeinde. Es fällt auf, dass Paulus in der Anrede zuerst Prisca nennt. Er schätzte wohl Priscas besondere Stellung und Bedeutung in der Gemeinde höher ein als die ihres Mannes Aquila.

 

Da ist die Apostelin Junia (Röm 16,7).

Auch sie wird gemeinsam mit ihrem Mann Andronikus in der Grußliste genannt. Junia und Andronikus – ein Apostel und eine Apostelin. Johannes Chrysostomos (344-407), bedeutender Lehrer der alten Kirche staunte noch: „Wie groß muss die Weisheit dieser Frau gewesen sein, dass sie für den Titel Apostel würdig befunden wurde.“

Im Mittelalter war es mit dem Stauen aus, denn es konnte nicht sein und in der Bibel stehen, was es nicht gab: einen weiblichen Apostel. Aegidius von Rom (1245–1316) machte kurzerhand aus Junia einen Junias. Und mit Luthers Bibelübersetzung verschwand Junia endgültig aus der Bibel. Interessanterweise aber nur in der Westkirche, die orthodoxe Kirche verehrt Junia bis heute als Heilige.

In den wissenschaftlichen Ausgaben des griechischen Neuen Testaments seit Erasmus von Rotterdam (1516) bis zur 12. Auflage des Novum Testamentum Graece (1923) blieb es gleichzeitig bei der Akzentsetzung der weiblichen Namensform „Junia“; dies änderte sich erst mit der 13. Auflage des Novum Testamentum Graece (1927)! Man hätte vor 1927 nur einmal in die grundlegenden Texte schauen müssen und hätte dort die Apostelin „Junia“ gefunden.

1977 untersuchte die feministische Theologin Bernadette Brooten 500 Inschriften alter Gräber. 500-mal fand sie den Namen „Junia“, einen „Junias“ hat sie nirgendwo gefunden. In der Antike gibt es nirgends einen Beleg für die männliche Variante „Junias“. Brootens Fazit zu den kaschierten Übersetzungen der Bibel: "Es musste ein Mann sein, schließlich ging es ja um Apostel!"

Erst in der neuen Einheitsübersetzung von 2016 lesen wieder, wenn wir die Bibel aufschlagen: „Grüßt Andronikus und Junia, (…)sie ragen heraus unter den Aposteln“.

 

In der Grußliste des Römerbriefes werden insgesamt 11 Frauen und 18 Männer genannt, gemeinsam haben sie durch ihr Engagement und ihr Tun das Fundament unserer heutigen Kirche aufgebaut. Dabei waren: Phöbe, Prisca, Maria, Junia, Tryphäna, Tryphosa, Persis, die Mutter des Rufus, Hermas, Julia und Olympas. All diese Frauen hatten bedeutende und wichtige Ämter in den Gemeinden der Urkirche inne.

 

Zurück nach Venn: Als die Frauen später am Abend das Pfarrhaus verlassen, um nach Hause zu gehen, trägt jede von ihnen den Wunsch im Herzen, dass die Verantwortlichen der Weltsynode nicht nur auf das schauen, was sie „Tradition“ nennen, sondern auch die biblische Tradition mit in den Blick nehmen und wahrnehmen, wie biblische Frauen und Männer die Urkirche gemeinsam gestaltet und geleitet haben.

 

Manuela Thies-Diekamp, Gemeindereferentin