Wem gehört die Welt?
Als ich ein Kind war, da stand in unserem Garten ein riesiger Wallnussbaum. Ich weiß nicht, wie alt er war. Damals als Kind habe ich gedacht, er müsse bestimmt 100 Jahre alt sein. Er musste gepflanzt worden sein, als das Haus gebaut wurde. Vielleicht sogar noch früher. Als Kind konnte ich ihn nicht mit meinen Armen umfassen – und auch ein Erwachsener hätte das nicht gekonnt. Oft habe ich über seine raue, gefurchte Rinde gestreichelt, im Sandkasten haben wir im Frühjahr mit den Blüten-Kätzchen gespielt, im Sommer spielten wir in seinem Schatten, im Herbst mit den Blättern und Schalen der Nüsse. Als wir älter waren, sind wir Kinder in den Baum geklettert – einfach so, um die Welt von oben zu sehen oder um Nüsse zu ernten. Hinter dem dicken Stamm fand man beim Versteck-Spielen einen guten Platz. An ihm konnten wir die Jahreszeiten ablesen. Die ersten Blätter im Frühling, die bunten Blätter im Herbst, die Nussernte und der kahle Baum im Winter.
Wie ein alter lieber Freund stand der Nussbaum in unserem Garten. Vielleicht hatten Sie auch so einen Baum ihrer Kindheit?
Noch heute kommen mir die Tränen, wenn ich daran denke, wie er gefällt wurde. Weil die Nachbarn sich im Herbst über das viele Laub in ihrem Garten geärgert haben. Als Kinder schauten wir zu: „Das dürfen die nicht!“ haben wir zu unseren Eltern gesagt.
Wem gehört die Welt?
Dem Nachbarn gehörte der Nussbaum nicht, der stand in unserem Garten. Aber gehörte er wirklich nur meinen Eltern? Gehörte er nicht eigentlich den vielen kleinen Insekten und Käfern, den Vögeln, die ihr Nest darin gebaut und Nahrung gefunden haben? Gehörte er nicht den Eichhörnchen, die am Stamm hochgesprungen sind und von einem Zweig zum anderen? Und gehörte er nicht eigentlich der ganzen Nachbarschaft, die durch ihn ins Grüne schauen konnte und nicht gegen graue Häuserwände? Und die durch ihn frische saubere Luft atmen konnte, mitten in der Stadt? Und was ist mit den kommenden Generationen? Meine Kinder konnten im Garten meiner Eltern keine Wallnüsse mehr finden…
Wem gehört die Welt?
Die Bibel gibt da eine klare Antwort: Auch wenn wir als erstes denken würden, der Mensch ist im Schöpfungsbericht als Herrscher über die Welt berufen worden. Es ist nicht der Mensch, dem die Erde gehört! In 1 Kor 20 heißt es: „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt.“ Die Welt gehört Gott, nicht einfach dem Menschen. Ihm ist die Erde anvertraut, so zusagen „ausgeliehen“, aber nicht zur freien Verfügung. Der Mensch soll vielmehr den Garten Gottes bebauen und behüten (Gen 2,15).
Jesus erzählte das Gleichnis vom Senfkorn, das kleinste Samenkorn in Palästina. Aus ihm wächst ein Baum, in dem alle Platz zum Leben finden. Die Vögel des Himmels kommen und wohnen in seinen Zweigen. Können nisten, brüten und die nächste Vogelgeneration aufziehen. Alles, weil das klitzekleine Senfkorn in die Erde gelegt wurde.
Bei Jesus sind Senfkorn und der Baum, der daraus wächst, ein Gleichnis für Gottes Reich. Aus einem kleinen Anfang heraus verändert sich die Welt. Wo Menschen daran glauben, dass Gott nah ist, bleibt nicht alles beim Alten. Gottes Nähe entfaltet ihre Kraft durch die Menschen hindurch. Gott verändert die Welt, wo Menschen ihm vertrauen. Jesus sagt mit seinem Gleichnis: „Unterschätzt die kleinen Anfänge nicht.“
Beim Nachdenken über Bäume im Allgemeinen und die Bibeltexte fallen mir viele aktuelle kleine und globale Bezüge, Probleme und Krisen ein. Was vom Nussbaum meiner Kindheit geblieben ist, ist aber vor allem die Erinnerung an dieses unglaubliche Glücksgefühl beim Umarmen des Stammes.
Eine sommerliche Pause im Schatten eines riesigen wunderschönen Baumes wünscht Ihnen
Manuela Thies-Diekamp, Gemeindereferentin