GdG St. Peter Mönchengladbach-West

briefstapel_by_peter_weidemann_pfarrbriefservice (c) Peter Weidemann, Pfarrbriefservice.de

Der Briefumschlag

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Datum:
Fr. 22. Sep. 2023
Von:
Monika Peine

Es begab sich an Heiligabend. In jenem Jahr war es so, dass die Geschenke, die wir Kinder zum Geburtstag bzw. zu Weihnachten von unseren Eltern bekamen, jeweils einen Wert von 50,- DM hatten. Wir saßen also alle zusammen um den Weihnachtsbaum und packten unsere Geschenke aus. Für jedes Kind gab es einen Teller mit Süßigkeiten und einen ganz kleiner Briefumschlag.

Ich machte meinen Umschlag kurz auf, schaute hinein und mir war klar: Mehrfach gefaltet enthielt er einen braunen Schein: 50,- DM. Dann machte ich ihn wieder zu, bedankte mich, legte ihn zur Seite und beachtete ihn nicht weiter.

Es war üblich, dass unsere Mutter, wenn sie eine gute Idee hatte, zum Geburtstag bzw. zu Weihnachten für jedes Kind etwas Dingliches kaufte. Wenn das von ihr gesetzte Limit nicht erreicht war, legte sie das restliche Geld in einen Umschlag und wir durften dann damit machen, was wir wollten. So konnte es also vorkommen, das man gar keinen Umschlag bekam, weil das zugedachte Geschenk das Limit komplett ausfüllte oder man bekam einen Umschlag, der das restliche Geld enthielt. Es kam durchaus vor, dass jede und jeder von uns einen Umschlag bekam, in dem unterschiedlich viel Geld war. Mal waren es mal 50 Pfennig, oder beispielsweise 23,58 DM, oder wie an dem Tag der braune Schein bei mir. Weil wir wussten, dass unsere Mutter uns immer alle gleich hielt, spielten die Umschläge im weiteren Verlauf des Festtages keine Rolle. Es interessierte uns auch untereinander nicht, welche Summe im Umschlag von Schwester bzw. Bruder enthalten war.

An dem Abend aber war es anders. Mein Bruder schmunzelte und fragte mich, ob ich schon in den Umschlag geschaut hätte. Ja, hatte ich. Wieder fragte er lächelnd, ob ich wirklich richtig geschaut hatte. Ja, hatte ich. Er hörte und hörte nicht auf zu quengeln, ich sollte unbedingt mal genauer gucken, meinte er. Nach einer ganzen Weile war ich ziemlich entnervt, nahm den Umschlag, machte ihn grummelnd auf, zog den Schein raus: „Hier! Guck! Fünfzig Mark! Und jetzt hör endlich auf zu nerven!“, fuhr ich ihn an, zog im gleichen Atemzug den Schein aus dem Umschlag und faltete ihn auseinander.

Schallendes Gelächter umgab mich. „Dein Gesicht ist unbezahlbar.“, glucksten die anderen Familienmitglieder und hielten sich vor Lachen die Bäuche.

Er war etwas roter und etwas größer als ein Fünfzigmarkschein, aber das war ja wohl nicht zu erkennen, so klein, wie der zusammengefaltet war. Fassungslos hielt ich einen 1000,- DM-Schein in meinen Händen.

Ich hatte vorher noch nie einen echten Tausendmarkschein gesehen, und wer rechnet denn auch mit sowas...

Es ist also manchmal wirklich klug, auf die Familie zu hören und es ist klug, ab und an Altbewährtes zu hinterfragen und genauer hin zu schauen.

 

Genauso ergeht es mir mit der Bibelstelle vom kommenden Sonntag (Mt 20,1-16). Hier lesen wir bei Matthäus von einem Gutsherren, der seinen Arbeiter*innen allen den gleichen Lohn auszahlt, unabhängig von der Stundenzahl, die diese gearbeitet haben.

Vordergründig könnte man sich hier prima auf die Seite derer Stellen, die lange und hart geschuftet haben und gemeinsam mit ihnen den Unmut äußern über die Kolleg*innen, die nur kurz dabei waren.

Vordergründig könnte man sich auch auf die Seite derjenigen stellen, die nur eine Stunde dabei waren, denn leichter kann man ja im Grunde sein Geld nicht verdienen.

Beim genaueren Betrachten der Bibelstelle, wird allerdings direkt zu Anfang klar, dass Jesus hier in einem Gleichnis über das Himmelreich spricht. Im Kern geht es darum, dass die tiefe Liebe zu Gott und den Menschen die tragende Kraft ist und letztlich das zu Grunde legt, was in der Bibel mit „Himmelreich“ bezeichnet wird, sei es in dieser Welt oder in einer späteren Welt. Die Dauer der Beziehung spielt dabei keinerlei Rolle. 

Ich lade Sie ein, die Bibelstelle einmal in Ruhe zu lesen und dem nachzuspüren, was Sie für sich selber, Ihr eigenes Leben und Ihren Glauben darin auf neue Weise entdecken.

 

Monika Peine

Gemeindereferentin

 

 

 

Die Bibelstelle vom 25. Sonntag im Jahr finden Sie in Internet unter:

 

Matthäus 20,1-16 | Einheitsübersetzung 2016 :: ERF Bibleserver