Himmelsleiter @ M. TD (c) M. Thies-Diekamp

Himmelsleiter

Himmelsleiter @ M. TD
Datum:
Fr. 11. Aug. 2023
Von:
M. Thies-Diekamp

In Urlaub entdeckte ich ihn – in einer kleinen Dorfkirche auf der dänischen Insel Moen. Mit seiner goldenen Leiter versuchte der kleine Engel vom Hochaltar hinauf ins Gewölbe zu klettern. Dabei zeigt er eine flotte Agilität. Ein Bild für eine lebendigere Verbindung zwischen Gott und Menschen gibt es kaum. Einfach nur die Leiter hinauf und schon bin ich im Himmel! Wie schön!

Aber es blieb nicht bei dieser einen Urlaubsentdeckung. Kurze Zeit später standen wir vor einer riesigen Leiter in der Kirche St. Lamberti in Münster. Die Leiter führt dort von der Orgel nach oben, draußen am Kirchturm setzt sich der Weg weiter fort mit einer zweiten Leiter, die geradewegs in den Himmel führt. Das Kunstwerk stammt von Billi Thanners, in Münster ein beliebtes Fotomotiv.

Beide Leitern erinnern an das, was der biblische Jakob in einem Traum erlebte (Gen 28, 10-22). Auf der Flucht vor seinem Bruder Esau legt er sich erschöpft im Freien zum Schlafen nieder und träumt von einer Leiter, die auf der Erde steht und bis in den Himmel reicht. Auf ihr bewegen sich göttliche Wesen auf und ab. So wie der kleine Engel in der Kirche im dänischen Elmelunde. Jakob spürt in seinem Traum eine enge Verbundenheit mit Gott, so dass er den Ort seiner Rast „Bethel“ (Haus Gottes) nennt.

Es gibt sie, die verschiedensten „Himmelsleitern“ oder „Jakobsleitern“, wie sie im Anklang an die alttestamentliche Geschichte auch genannt werden. Klettersteige führen in atemberaubende Höhen, wie die „Himmelsleiter“ im Salzkammergut, geradewegs in den Himmel. Läuft man in Gelsenkirchen auf die Halde Rheinelbe und ihren 85 Meter hohen Spiralberg, kommt man an eine lange Treppe, die auf der Kuppe in riesigen Steinbrocken endet. Seine „Himmelstreppe“ hat der Künstler Herman Prigann aus Betonblöcken einer ehemaligen Dortmunder Zeche gestaltet.

Der Mensch schaut gerne fasziniert in die Weiten des Himmels und träumt von einer engen Verbundenheit mit Gott. Wenn es doch eine Leiter gäbe, die uns direkt zu Gott führe! Die Theologie, aber auch das Bild vom kleinen Engel in der dänischen Landkirche geben uns eine Antwort. Hinter der goldenen Leiter zeigt das Deckenfresko eine Kreuzesdarstellung. Leiter und Kreuzesbalken verbinden sich. Jesus Christus ist unsere Leiter zu Gott.

Der Künstler Thomas Jessen sieht die Leiter da vielleicht etwas pragmatischer. Auf seinem Altarbild in der St. Clemenskirche in Drolshagen hat er die Himmelfahrt Mariens dargestellt. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde die Kirche renoviert werden. Drei – sie sehen aus wie normale Menschen aus einer heutigen Gemeinde – stehen vorne und arbeiten an dem alten Gemäuer. Maria auf einer Klappleiter ist in Jeans und Rolli gekleidet. Veronika arbeitet an einem Steinbildnis und Thomas steht am Fuß der Leiter in der Hand ein Ölgemälde und bekommt von Maria einen Gürtel gereicht. Ein modernes Bild der Urgemeinde? Maria, Veronika und Thomas als tatkräftige moderne Menschen, die die Kirche renovieren? Mit der Gabe des Gürtels Mariens an Thomas greift der Künstler die Legende von der Himmelfahrt Mariens auf. Vielleicht gehört für ihn „Renovierung“, also Erneuerung der Kirche, zu einer „Himmelfahrt“ zwingend dazu.

Eine geradezu himmlische Höhe von 70 cm erreicht die „Polemonium caeruleum“, eine Blütenstaude, die mit ihren violetten Blüten als „Himmelsleiter“ oder „Jakobsleiter“ in heimischen Gärten bekannt ist. Sie verweist darauf, dass der Himmel einem oft zu Füßen liegt. Man muss ihn nur entdecken.

Jesus sagt etwas ähnliches bei Lukas: „Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es! oder: Dort ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Lk 17,21)

Am 15. August feiern wir das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Vielleicht eine Einladung, über die eigenen Himmelsleitern nachzudenken.

 

Ihre begeisterte Himmelsleiter-Sucherin

Manuela Thies-Diekamp, Gemeindereferentin